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Sie sollen die Schwächsten schützen: Berliner Polizei wird von einem Skandal erschüttert

Berlin -Von Mustafa geht erstmal keine Gefahr mehr aus. Der ehemalige Betreiber der sogenannten „Erlebniswohnung“ sitzt in einer Zelle. Hinter dem an Zynismus kaum zu überbietenden Namen verbirgt sich sein ehemaliges Bordell, in dem sogenannte „Gangbang“-Partys auf Flatrate-Basis auch mit minderjährigen Mädchen stattfanden.

Dass alles aufgedeckt wurde, ist einer Ermittlerin des Landeskriminalkamts (LKA) zu verdanken, die gegen vielerlei Widerstände in fünfjährger Ermittlungsarbeit den Handel mit Kindern zum Zweck des sexuellen Missbrauchs aufdeckte. Darüber berichtet heute FOCUS Online.

Doch die ganze Geschichte hinter dem Fall hat das Zeug zu einem Sklandal in der Berliner Polizei, wie es ihn noch niemals gegeben hat. Das vermutet jedenfalls der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Marcel Luthe. Er wittert „ein neuerliches dramatisches Versagen beim LKA“ in der Hauptstadt. Auch die Abteilung für interne Ermittlungen der Polizei ist inzwischen aktiv geworden.

Nach Informationen von FOCUS Online habe ein V-Mann bereits 2011 von massenhaftem Missbrauch eines jungen Mädchens in dem Bordell berichtet. Als die Ermittlerin daraufhin die Observation der Verdächtigen und Überwachung der Telefone beantragt habe, lehnte ihre Vorgesetzte den Antrag mit der Begründung ab, in ihrem Kommissariat würden grundsätzlich keine Telefonüberwachungen durchgeführt.

 Einen 17 Seiten umfassenden Bericht der verantwortlichen Ermittlerin habe die Leiterin mit den Worten „Jetzt muss ich diese Scheiße auch noch lesen“ kommentiert. Als dann eine Staatsanwältin die Telefonüberwachung doch anordnete, habe ihre Chefin angeordnet, dass die Ermittlerin die insgesamt 2972 aufgezeichneten Telefonate und knapp 1600 SMS-Nachrichten alleine auswerten musste, während sich ihre Kollegen täglich 45 bis 60 Minuten Zeit für ein gemeinsames Frühstück nahmen.

Die Auswertung der Telefongespräche der Verdächtigen brachten dennoch weitere vielversprechende Hinweise. So soll es im LKA einen „Maulwurf“ mit dem Decknamen „Der Kreuzberger“ gegeben haben, der die Bordellbetreiber regelmäßig vor Razzien warnte. Monatelang passierte nichts, nach einer Nachfrage der Ermittlerin wurde ihr Monate später mitgeteilt, man habe den Hinweis „als nicht so dringlich erachtet und sich bisher nicht weiter darum gekümmert“. Wegen der Hartnäckigkeit der Ermittlerin sei die Stimmung damals im Kommissariat zunehmend gereizt gewesen.

Merkwürdig auch ein kurzfristig abgesagter Einsatz eines Mobilen Einsatzkommandos (MEK) der Polizei, weil man auf den vorher aufgenommenen Observationsfotos „etwas entdeckt“ habe. Die MEK-Männer verweigerten die Aussage, was auf den Bildern zu sehen war, und vereinbarten Stillschweigen. Begründet wurde die überraschende Absage des Einsatzes damit, dass man über die Eintrittsgelder „keine Steuermittel in den kriminellen Kreislauf bringen wollte“.

Bei einer anderen Razzia hätten zwei Mitarbeiter des Ordnungsamtes eine Freier wiedererkannt, den sie schon vorher dort gesehen hatten. Der Mann wurde kontrolliert und habe sich als Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) ausgewiesen. Der Vorgang taucht in keiner Polizeiakte auf. Der BND erklärte, er sei niemals über den Verdacht der Berliner Polizei informiert worden.