BERLIN – Nach der Veröffentlichung einer Kolumne mit dem Überschrift „Abschaffung der Polizei. All cops are berufsunfähig“ sind bei der Berliner Staatsanwaltschaft 150 Strafanzeigen gegen die linksextreme „TAZ“ eingegangen. Der Vorwurf: Volksverhetzung und Kollektivbeleidigung der Polizei. Nun hat die Staatsanwaltschaft alle Verfahren ohne Aufnahme von Ermittlungen eingestellt.
Die Prüfung, so heißt es in einer Pressemitteilung, habe im Ergebnis ergeben, dass ein solcher Anfangsverdacht nicht bestehe. 145 Personen, die Strafanzeigen in dieser Sache erstattet haben, seien die Gründe der Entscheidung im Einzelnen dargelegt worden, „wobei dies im Fall von durch die Kolumne direkt angesprochenen und betroffenen Polizeibeamten mit besonderer Ausführlichkeit geschehen ist“.
Es habe geklärt werden müssen, ob die zweifellos „äußerst abschätzige Bewertung der deutschen Polizei bzw. deren Mitarbeiter“ in der Kolumne vom verfassungsrechtlich garantierten Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt und deshalb nicht strafbar sei oder „ob sie die Grenze strafbaren Verhaltens überschreitet und die Tatbestände der Volksverhetzung oder der Kollektivbeleidigung erfüllt“, heißt es weiter.
Das verfassungsrechtlich garantierte Recht der freien Meinungsäußerung gewährleiste grundsätzliche jedem, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Trotz ihrer „äußerst abschätzigen Bewertung“ seien die Ausführungen der Kolumne der Einstellungsentscheidung zufolge noch vom Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt gewesen.
Eine Meinungsäußerung wäre danach nur als strafbare Volksverhetzung zu bewerten, wenn nicht eine Auseinandersetzung in der Sache – sei es auch in satirischer Form – sondern alleine die Beleidigung und die Schmähung im Vordergrund stehen und die Meinungsäußerung deshalb als Angriff auf die Menschenwürde zu werten sei. Dabei sei entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen, dass auch scharfe und überspitzte Formulierungen eine Äußerung noch nicht unzulässig machen. Vielmehr spricht gerade, wenn es um Beiträge zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geht, die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede (BVerfGE 7, 198 (212)).
Insofern sei die Kolumne als zugespitzter Beitrag im Kontext der aktuellen öffentlichen Diskussion zu „Polizeigewalt“ und Rassismus innerhalb der Polizei zu sehen. Eine strafrechtlich relevante Schmähung läge danach nur dann vor, wenn der Inhalt der Kolumne keinen „irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Personen als solcher geht.“ (BVerfG, Beschl. V. 19.05.20 – 1 BvR 2397/19).
Der Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft Berlin zufolge sei das nicht der Fall. Vor dem Hintergrund der genannten aktuellen politischen und öffentlichen Diskussion zur Rolle von Polizei und Polizisten in der Gesellschaft hab die Autorin deshalb die Grenze der Strafbarkeit nicht überschritten.